Sigiriya Rock: Sri Lankas Löwenfelsen
❂ 1200 Stufen geht’s zur Felsspitze hoch! ❂ Diesen mühsamen Aufstieg habe ich tatsächlich gewagt, um die wohl einprägsamste Kulturstätte Sri Lankas zu besichtigen. Sigiriya, auch Löwenfelsen oder Löwenberg genannt, besteht aus den Ruinen einer alten Festung, die von einem Vatermörder und “Playboy-König” im späten 5. Jahrhundert n. Chr. auf einem 180 Meter hohen, monolithischen Felsblock errichtet wurde. Seit 1982 gehört Sigiriya zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Das „Lion Fortress“ liegt innerhalb des „Kulturdreiecks“ von Sri Lanka. Der berühmte Höhlentempel von Dambulla ist von hier nur eine halbe Stunde entfernt und die historische Königsstadt Polonnaruwa eine knappe Stunde. Man kann also diese drei Attraktionen ganz entspannt während zwei Tagen besuchen, bevor es nach Kandy im Süden oder nach Anuradhapura im Norden weitergeht – allesamt von der UNESCO anerkannte Kulturstätten im wunderschönen Inselstaat Sri Lanka.
Der Name Sigiriya wird abgeleitet von „Singha Giri“, was übersetzt so viel wie „Löwenfelsen“ bedeutet.
Der Felsmonolith, der so steil ist, dass seine Spitze die Seiten überragt, erhebt sich bis zu einer Höhe von 349 Meter über dem Meeresspiegel und liegt etwa 180 Meter über dem ihn umgebenden fruchtbaren Land.
Nun möchte natürlich jeder Besucher wissen: Was war vor langer Zeit dort oben geschehen, dass der Sigiriya Rock bis heute eine solch’ große Bedeutung hat?
Die Geschichte von Sigiriya
Die Festung findet ihren Ursprung in einem Familienstreit der Königsfamilie.
Kasyapa, Sohn einer zweitrangigen königlichen Konkubine und ohne jegliche Aussicht auf die Thronfolge, ermordete seinen Vater König Dhatusena und entriss seinem Halbbruder und rechtmäßigen Nachfolger Moggallana die Krone.
Aus Angst vor dessen Rache ließ sich der selbsternannte neue singhalesische König in rund 200 Metern Höhe auf dem Sigiriya Felsen nieder und baute dort einen Palast in Form eines monumentalen Löwen – aus Schutz vor einem möglichen Krieg mit seinem Halbbruder. Offenbar ging sein Plan auf. Über zwei Jahrzehnte hinweg lebte Kasyapa, auch bekannt als Kashyapa I von Sigiriya, mitsamt seiner Gefolgschaft auf dem langgestreckten, flachen Felsplateau.
Während seiner Regierungszeit galt der “Sigiriya Rock” mitsamt seiner Festungsanlage als Hauptsitz des singhalesischen Königreichs und ganz offiziell als Hauptstadt von Ceylon.
Zahlreiche imposanten Bauten, ein Theater mit Felssitzen, meisterlich angelegte Kanäle sowie Wasser-Reservoire zur Eigenversorgung wurden für den König gebaut. Die West- und Südhänge waren in Terrassen mit Wohnstätten für die Mägde und Mitglieder der Leibwache unterteilt. Zudem waren Wassergärten mit Badebecken und Tanz-Podien für die holde Weiblichkeit errichtet worden, denn der König ließ es sich in luftigen Höhen so richtig gut gehen…
Playboy-Mansion im Himmel
Der Sage nach lebte King Kasyapa mit 500 Konkubinen in seiner siebenstöckigen Festung und gab sich ganz und gar dem frivolen und genussvollen Leben hin. Möglicherweise sind 21 Felsmalereien, die barbusige Sängerinnen und Tänzerinnen darstellen, Zeugnisse dieser Zeit. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
Fast zwanzig Jahre lang, von 473 – 491 n. Chr., regierte der “Löwenkönig” sein Inselreich von seinem Lustschloss aus. Wie Sie hier sehen, hatte er von hier aus einen Traumblick über die gesamte Tiefebene der Zentralregion.
Über den Sigiriya-König schrieb eins der Journalist Remy Chevalier: “Denken Sie an einen Teufelsturm mit einem Spa obendrauf. Dieses ‘Achte Weltwunder’, wie die Sri-Lanker die Festung des verrückten Königs gerne bezeichneten, wurde als das entlarvt, was es wirklich war: ein Tempel der tantrischen Sex-Initiation. König Kasyapa war ein Hugh Hefner aus dem 5. Jahrhundert und Sigiriya war seine Playboy-Villa.” (Quelle: Lankalibrary.com)
Bis die Bergidylle ein abruptes Ende fand.
Halbbruder Moggallana war im Jahre 491 n.Chr. mit einer riesigen Armee aus dem südindischen Exil zurückgekehrt, bezwang mit seinen Leuten den Löwenfelsen und eroberte die Festungsanlage.
Wobei dieses Unterfangen angesichts eines tiefen Wassergrabens voller Krokodile, den rauhen Felswänden und den damals noch nicht vorhandenen Treppen unglaublich mühsam gewesen sein muss.
Bis heute ist nicht genau überliefert, auf welche Weise es die Soldaten bis nach oben geschafft haben, um Moggallanas ungeliebten Nebenbuhler endlich gefangenzunehmen.
Bekannt ist nur, dass die Invasion gelang. Die Eroberer ließen den Vatermörder Kasyapa für seine früheren Taten büßen, und angeblich soll er einige Jahre später von seiner eigenen Gemahlin vergiftet worden sein.
Nun konnte Moggallana I. endlich seinen rechtmäßigen Thron besteigen. Seine erste Amtshandlung: Während seiner Regierungszeit von 495 bis 515 n. Chr. machte er Anuradhapura erneut zur Hauptstadt von Sri Lanka – so wie sie es zuvor schon unter der Regentschaft seines Vaters gewesen war.
Zunächst blieben noch einige Amtsgebäude und Herrschaftssitze auf dem “Sigiriya Rock” bestehen und das gesellschaftliche Leben ging für eine Weile seinen gewohnten Gang. Denn nach wie vor lebten königlichen Nachfahren mitsamt ihrer Gefolgschaft in den himmlischen Sphären.
Nach Moggallanas Tod kamen verschiedene Königsdynastien an die Macht, doch war deren Schicksal von internen Machtkämpfen zwischen einheimischen Sri-Lnakern und externen Eindringlingen aus Indien geprägt.
Ab dem 12. Jahrhundert zog sich die singhalesische Regierung schließlich in den Südwesten der Insel zurück und die Gebäude wurden als Kloster genutzt. Allerdings gaben die dort ansässigen Mönche ihre “Monastry” im 14. Jahrhundert auf und Sigiriya begann zu verfallen. Erst Jahrhunderte später, im Jahre 1831, wurde der verlassene Felsen vom britischen Armeemajor Jonathan Forbes entdeckt, während der hoch zu Ross durch Sri Lanka ritt.
1898 begannen erste Ausgrabungen, und der Geist des Sigiriya-Löwen wurde zu neuem Leben erweckt.
Königliche Gärten von Sigiriya
Seit die alte Königsstadt im Jahre 1982 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, ist der gigantische Monolith zu einem beliebten Touristenort geworden. Es macht richtig Freude, über die unendlich langen Sandwege zu flanieren – immer den grandiosen Sigiriya Felsen im Blickfeld.
Wie wir erfahren, waren damals nicht nur auf dem Berg selbst, sondern auch am Fuße des Felsens diverse Lustgärten angelegt worden. Das fortschrittliche Hydrauliksystem, bestehend aus Kanälen, Seen, Dämmen, Brücken, Springbrunnen und unterirdischen Wasserpumpen, versorgt die Sigiriya-Steingärten noch heute mit Wasser.
Was man beachten muss: Normalerweise ist es in und um Sigiriya proppenvoll. Doch da wir während der Corona-Zeit auf Sri Lanka weilten, war glücklicherweise so gut wie nichts los.
Wir sind uns bewusst, dass dies wohl nie wieder der Fall sein wird: so ganz allein und eins mit der Natur zu sein.
Während unseres Besuchs sehen mein Mann und ich höchstens zwei Dutzend Touristen, die gemütlich durch die geometrisch angelegte, wunderschöne Parkanlage spazieren.
Eine gewisse Gemütlichkeit schwebt mir an diesem heißen Tag auch vor. Ich gehöre ja nicht gerade zu der Spezies Mensch, die sich gerne körperlich anstrengt. Eine Bergwanderung ginge ja gerade noch, aber einen ganzen Bergfelsen bezwingen…?
Ich stöhne: „Da soll ich hoch…?“
Steiler Aufstieg zum Berg-Plateau
Die senkrechte Besteigung zum Gipfel des Löwenfelsens von Sigiriya ist herausfordernd, aber nicht unmöglich. Wählen Sie den frühen Morgen für eine Besichtigung der Festungsruinen. Hierfür sollten Sie mindestens einen halben Tag einplanen, da man allein für den Auf- und Abstieg etwa 2 – 2,5 Stunden benötigt – kurze Pausen mit eingerechnet. Schließlich ist es schon ein Abenteuer an sich, über 1200 Treppenstufen hoch und runter zu kraxeln.
Es gibt zwei Aufgänge für die erste Hälfte der Anhöhe. Eine am Südtor, in dessen Nähe sich die Höhle namens “Cobra Head Cave” befindet. Die Grotte wird so genannt wird, weil der Felsvorsprung einem Kobrakopf ähnelt. Doch unser Guide hat eine andere Idee. Mit einem schelmischen Lächeln führt er uns zu einer Seitenwand des Granit-Giganten.
“Sie wollen doch heute etwas ganz Besonderes erleben, was andere Touristen normalerweise nicht erleben, oder?” Wir nicken entzückt. Und Amal sagt verschmitzt: “Sie beide sind ja offensichtlich fit. Hier ist also mein Geheim-Tipp!
Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Der Anblick läßt mich fast zu Stein erstarren, denn mitten durch mächtigen Gneis Findlinge führt ein treppenreicher Weg steil nach oben. Super steil…
“Ich warte hier unten auf Dich. Mir wird das zu anstrengend!” versuche ich einzuwenden. “Das schaffe ich nie.”
Doch von wegen! “Dafür sind wir schließlich hierher gekommen.”
Mein Lieblingsmensch lässt keine meiner zahlreichen und gut überlegten Ausreden gelten, und so reiße ich mich zusammen und mache gute Miene zum schweißtreibenden Spiel.
Auf diesem Weg kommt man an verschiedene Höhlen vorbei, die in früheren Zeiten Einsiedlermönchen als Wohnstätte dienten. Außerdem passieren wir den Zisternenfels, den Predigtfels und die Audienzhalle.
Eins sollten Sie sich auf jeden Fall merken, und zwar ganz egal, von welcher Seite Sie aufsteigen:
Wenn Sie in Sigiriya zum “Felskletterer” werden wollen, sollten Sie über eine gewisse Kondition verfügen und grundsätzlich schwindelfrei sein!
Für schwache Nerven ist der Aufstieg jedenfalls eher nicht zu empfehlen.
„Wolkenmädchen“ von Sigiriya
Auf etwa halber Strecke zum Gipfel ist eine eiserne Wendeltreppe zu überwinden, bevor man auf einer der Felswände die berühmten „Wolkenmädchen von Sigiriya“ zu Gesicht bekommt.
Dank des Felsüberhangs, der Wind und Wetter perfekt abhält, leuchten die Halbportraits der barbusigen Nymphen auch heute noch in strahlenden Farben. Dass die Kolorierung nach über 1500 Jahren eine derartige Leuchtkraft besitzt, ist schon sehr beeindruckend. Außer dem natürlichen Schutz in der Felsengalerie ist dies wohl auch der hohen Qualität der damals verwendeten Materialien zu verdanken.
Wer die filigranen Wesen auf der Felswand verewigt hat, ist unbekannt.
Einige Kunstexperten vermuten, dass es sich hier um sogenannte “Apsaras” handelt, also hindustische Himmelswesen – ähnlich der weiblichen Tempeltänzerinnen, die man als Steinskulpturen im kambodschanischen Angkor Wat oder Wat Ta Nei bewundern kann.
Andere Historiker gehen jedoch davon aus, dass auf den Fresken einige Konkubinen abgebildet sind, die dem damaligen “Playboy-König” Kasyapa I. dienten.
Und weiter geht’s! Wir befinden uns schließlich erst auf halbem Wege.
Zahlreiche schmale Treppen, die in die Klippe gemeißelt sind, winden sich weiter nach oben ‘gen Himmel. Manche haben einen Handlauf aus Metall, andere wiederum sind freistehend und haben kein Geländer.
Wenn Sie also Höhenprobleme haben, schauen Sie lieber nicht nach unten.
Der schweißtreibende Aufstieg wird glücklicherweise immer wieder von der grandiose Aussicht auf die sattgrüne tropische Landschaft rund um den Sigiriya-Felsen unterbrochen.
Löwentor und Löwentreppe
Endlich erreichen wir ein Zwischen-Plateau, wo die Touristenpolizei stationiert ist. Hier gönnen wir uns eine kleine Verschnaufpause und erstehen einen Snack und Erfrischungen bei einem kleinen Shop.
Den Zugang zu der eigentlichen Festung von Sigiriya betritt man durch das Löwentor über die Löwentreppe.
Das Tor wird von den Überresten einer ehemals 14 m hohen, riesigen Löwenstatue flankiert. Heute sind nur noch die gewaltigen schwarzen Pranken des steinernen Raubtieres vorhanden, die allerdings beeindruckend genug sind. Eine schmale Eisentreppe führt uns schließlich zum ersehnten Gipfel des Löwenfelsens. Im Hintergrund erhebt sich der Piurangala Rock, den man ebenfalls besteigen kann.
Je höher wir kommen, desto mehr wächst mein Respekt für die Menschen im 5. Jahrhundert. Wie sind die nur damals hier hoch gekommen? Die Prinzessinnen, Hofdamen und Dienerinnen mit ihren langen Kleidern? Und die Männer mit ihren schweren Rüstungen und Waffen?
Ich jedenfalls bin froh, wenn ich’s bis ganz oben schaffe…
Königlicher Palast
Endlich! Oben auf dem Felsplateau angekommen, empfängt uns eine frische Brise und lässt die Anstrengungen der letzten Stunde sofort vergessen. Denn was wir hier sehen, ist schon sehr beeindruckend!
Die Grundmauern des ehemaligen Palastes und der Pool-Anlagen lassen unschwer erahnen, in welcher Pracht der König Kasyapa dort oben residiert haben muss.
Der obere und untere Palast, das Theater sowie die königlichen Gärten gruppieren sich um diverse Wasserbecken, die aus dem Felsgestein gehauen wurden.
Mit all den spektakulären und tragischen Königsgeschichten im Kopf schlendern wir über das weitläufige und mehrstufige Felsplateau und nehmen auf den vorhandenen Steinsitzen Platz. Hier verweilen wir für eine halbe Stunde und tanken Energie für den baldigen Abstieg.
Unser Fazit: Es hat sich definitiv gelohnt, hierher zu kommen. Neben den bemerkenswerten Ruinen ist allein schon der Rundumblick auf die tropische Landschaft und die Bergketten im Hintergrund den Aufstieg wert.
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© Text: Nathalie Gütermann. Fotos: Nathalie Gütermann/Jörg Baston